Wenn Michael, IT-Projektmanager in einem internationalen Softwareunternehmen, morgens in seinem Büro Platz nahm, hatte er bereits eine Reihe wichtiger Arbeitsschritte hinter sich: Da war der kurze Plausch mit Ines an der Rezeption, die ihm vom Besuch der Delegation aus Hong Kong berichtete. Auf dem Flur begegnete er seiner Vorgesetzten, die ihm ein „Gutes Meeting gestern, bereiten Sie das in der Art auch für nächste Woche vor“ zuwarf. Sein Kollege, der gerade aus der Tür getreten war, hörte das Lob und nickte ihm anerkennend zu.

Seit Beginn der Corona-Krise arbeitet Michael nun im Home Office. Wenn er an seinem Schreibtisch Platz nimmt, hat er lediglich eine Begegnung mit seiner Kaffeemaschine und seinem Toaster hinter sich. Er nimmt sein Smartphone in die Hand und schickt seinem Kollegen eine kurze Nachricht.

Wie Michaels Firma setzen auch viele andere Unternehmen mittlerweile auf Home Office und digitales Arbeiten. Das bringt zahlreiche positive Effekte mit sich, etwa verringerte Anfahrtswege und Fortschritte in der Digitalisierung. Die neue Art des digitalen Arbeitens führt jedoch auch zwangsläufig zu veränderten Abläufen und Kommunikationsstrukturen: Laufend müssen die bestehenden Sicherheitsvorschriften evaluiert und angepasst werden, Arbeitskräfte fallen aus, es fehlt der direkte Zugriff auf Strukturen wie Vertrieb, Lager und Produktion. Viele Berufstätige und auch Führungskräfte laufen Gefahr, ihren hohen Qualitätsansprüchen derzeit nicht mehr vollends gerecht zu werden und leiden unter dem erhöhtem Arbeitspensum und der allgemeinen Unsicherheit im Markt. Die Gefahr eines Burnouts steigt damit erheblich.

Gesundheitsexperte und Sozialwissenschaftler Stefan Scheurer beobachtet die Veränderungen der zunehmend digitalen Arbeitswelt seit Beginn der Krise. Als Psychotherapeut und Krankenhausdirektor der AMEOS Klinika in Bad Aussee für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychiatrie weiß er, wieso sich gerade die fortschrittlichen Arbeitsstrukturen oft so belastend auf die menschliche Psyche auswirken können: Denn trotz erstklassiger digitaler Vernetzung, perfekt organisierter Conference Calls und guter technischer Ausstattung fehlt in vielen Unternehmen branchenübergreifend der persönliche und informelle Austausch von Angesicht zu Angesicht – sei es der Smalltalk in der Kaffeeküche oder der „Flurfunk“. In diesem potentiellen Vakuum an fehlenden persönlichen informellen und direkten Informationen können leicht Konfliktschleifen und Missverständnisse entstehen. „Es fehlt der soziale Schmierstoff im Unternehmen: Gemeinsame Werte, Vertrauen und ein geteiltes Verantwortungsbewusstsein bilden die Identität des Unternehmens. Diese unsichtbaren Faktoren können digital nur schwer gepflegt werden und es braucht hierzu neue Lösungsansätze.“

Doch genau dieser soziale Schmierstoff ist für den Erhalt der psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden so wichtig, wie Stefan Scheurer ausführt: „Um stressige Phasen gut durchzustehen, brauchen Menschen Resonanz in Form von positiver Rückmeldung ihres Umfelds. Diese Rückmeldungen sind häufig subtiler Art: Ein kurzes Zunicken, Mimik, Gestik, kurze Berührungen, all das kann positive Resonanz erzeugen und das Stresserleben mildern. Doch all dies fällt in Zeiten der Corona-Pandemie durch das digitale Arbeiten weg. Die gefährlichen Konsequenzen: „Ein erhöhtes Arbeitsvolumen erfährt keine Resonanz, der Stress häuft sich an und die Burnout-Gefahr steigt.“

Die Gefahr wird sogar noch größer durch die intensive Mediennutzung. Nichts geht mehr ohne Laptop, Tablet und Smartphone. Werden diese Medien auch nach Feierabend häufig benutzt, beispielsweise für soziale Netzwerke oder Nachrichten, treten ein starker Gewöhnungseffekt oder in drastischen Fällen sogar eine Medienabhängigkeit ein. Die übermäßige Nutzung digitaler Medien verstärkt die Gefahr eines Burnouts, wie Scheurer ausführt: „Die Forschung zeigt, dass digitale Kommunikation von Natur aus eher resonanzarm ist, da sie nicht alle Sinne bedienen kann. Das heißt, Berufstätige mit hoher Mediennutzung erfahren auch in ihrer Freizeit wenig positive Resonanz. Durch die derzeit herrschenden Schutzvorkehrungen in der Pandemie werden zudem alle weiteren privaten Sozialkontakte auf ein Minimum reduziert. Hier muss jeder für sich selbst Verantwortung übernehmen und Bewältigungsstrategien entwickeln. Ein Patentrezept gibt es nämlich nicht.“

Prävention und Behandlung

So ist beispielsweise Achtsamkeit gegenüber der eigenen Belastungsgrenze elementar. Hierzu sollten sich Berufstätige regelmäßig einen kurzen Zeitraum einplanen, um noch vorhandene aber auch bereits stark erschöpfte Ressourcen wahrzunehmen. Oft hilft hier auch das Feedback naher Bezugspersonen, wie zum Beispiel von Partner*innen und Freund*innen, um den derzeitigen Kräftestand auszuloten. Auch Entspannung, angenehme Aktivitäten, soziale Kontakte oder Aufenthalte in der Natur können positive Resonanz erzeugen. Scheurer beschreibt diesen Auftankprozess so: „Bildlich gesprochen gilt es, den etwas zu heiß gelaufenen Motor abkühlen zu lassen, um schwere Schäden durch Überhitzung zu verhindern.“

Teamverantwortliche Berufstätige sollten zur Burnout-Prävention darauf achten, mehr Zeit für Beziehungsaufbau und -pflege zwischen den Mitarbeitenden einzuplanen. Die digitalen Arbeitskonzepte sind meistens auf die Sachebene begrenzt, jedoch ist es zur Vertrauensstabilisierung und Konfliktvermeidung unabdingbar, auch die Beziehungsebene mit einfließen zu lassen. Hilfreich sei es beispielsweise, Schritt für Schritt eine achtsame Unternehmenskultur zu entwickeln, etwa in der Handhabung von Dauererreichbarkeit und E-Mail-Flut.

Sollte die Erschöpfung bereits weit vorangeschritten sein, der Motor also bereits Schäden davongetragen haben, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

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Das AMEOS Privatklinikum Bad Aussee bietet eine Burnout-Behandlung in Form einer modularen Intervalltherapie an. In diesem speziell auf die Bedürfnisse von Burnout-Patient*innen angepassten Therapiekonzept kommen Betroffene über das Jahr verteilt mehrmals nach Bad Aussee. Die Aufenthalte sind auf zwei bis drei Wochen ausgelegt. In dieser intensiven Zeit werden wirksame Konzepte zur Behandlung des Burnouts vermittelt. Modernste Therapiemethoden, zum Beispiel Neurofeedback, werden dazu eingesetzt, effektiv und kurzfristig die Symptome eines Burnouts zu lindern. Ebenfalls ist das gesamte Behandlungsteam in der Behandlung von Medienabhängigkeit und digitalem Stress geschult.