Laut einer aktuellen Studie leiden etwa 17 Prozent der deutschen Bevölkerung unter regelmäßig wiederkehrenden Schmerzen. Am meisten treten dabei Rücken- und Kopfschmerzen und Leiden der Nervenbahnen auf. Bei jedem sechsten betroffenen Patienten kann sich aus dem chronischen Schmerz sogar eine eigene Erkrankung, die Schmerzkrankheit, entwickeln. Dr. med. Ralf Rehwinkel, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Schmerz- und Palliativmedizin am AMEOS Klinikum Staßfurt spricht über die Ursachen, Behandlungsansätze und Therapiemethoden bei chronischen Schmerzen.
Dr. Rehwinkel, wann empfinden wir Schmerz?
Jeder Mensch erleidet im Laufe seines Lebens Schmerzen. Meist passiert dies im Rahmen von Bagatellverletzungen, aber auch viele Erkrankungen sind mit akuten Beschwerden verbunden. Der Schmerz besitzt hier eine wichtige lebensnotwendige Warn- und Hinweisfunktion.
Wann sprechen Experten von chronischen Schmerzen?
Bestehen die Beschwerden länger als drei bis sechs Monate und halten damit über die zu erwartende Heilungszeit der ursprünglich schmerzauslösenden Erkrankung an, spricht man von chronischen Schmerzen. Diese haben weitreichende Folgen auf das gesamte Leben, die ihrerseits das Symptom Schmerz zu einer eigenständigen Erkrankung, der Schmerzkrankheit, werden lassen. Ihr Entstehen und Verlauf hängt neben körperlichen auch von seelischen und sozialen Faktoren ab. Warum Schmerzen bei manchen Menschen chronisch werden, bei anderen wiederum nicht, ist bis heute nicht vollends geklärt. Sicher ist nur, dass wiederkehrende Schmerzreize zu Veränderungen im Gehirn und Rückenmark führen können. Das entspricht vereinfacht dem Ergebnis eines Schmerzgedächtnisses.
Kann einer Chronifizierung vorgebeugt werden und wenn ja, wie?
Werden akute Schmerzen möglichst rasch und effektiv eingedämmt, kann eine Chronifizierung meist vermieden werden. Dies gilt für Operationen gleichermaßen wie für Erkrankungen, die mit starken Schmerzen verbunden sind. In den meisten Fällen ist nur eine kurze Ruhigstellung sinnvoll. Die möglichst rasche Wiederaufnahme von körperlicher Aktivität verhindert Muskelabbau und in der Folge Fehlbelastungen.
Welche Behandlungsverfahren gibt es hierfür?
Die Erkenntnisse der Schmerzchronifizierung haben dazu beigetragen, dass neue Behandlungsverfahren etabliert wurden. Dabei geht es darum, dass neben den Ursachen besonders die Folgen des Schmerzes bekämpft werden. Dies ist nur mit einem multimodalen Therapieansatz möglich. Eingebunden sind hierbei neben den Medizinern und Psychologen auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und die Mitarbeiter vom Sozialdienst. Zu Beginn einer Multimodalen Schmerztherapie formulieren Patient und Therapeut gemeinsam Therapieziele. Dabei steht nicht immer die Schmerzlinderung an erster Stelle, sondern häufig die Funktionsverbesserung. Mit dem Schmerz sind zahlreiche Entbehrungen verbunden. Diese Fähigkeiten wiederzuerlangen sind dem Betroffenen häufig wichtiger als die Schmerzfreiheit.
Die Klinik für Anästhesiologie, Schmerz- und Palliativmedizin des AMEOS Klinikums Staßfurt bietet seit mehr als drei Jahren die Multimodale Schmerztherapie an. Vor der Aufnahme zu diesem ca. zwei Wochen dauernden Behandlungsprogramms erfolgt eine Prüfung der Notwendigkeit. Sind diese Voraussetzungen gegeben, übernehmen die Krankenkassen die Kosten der stationären Behandlung.