Einer Erkrankung ist es egal, ob gerade Pandemie herrscht, Klimakatastrophe, Kriegsgefahr oder andere Bedrohungen. Menschen haben ihre gesundheitlichen Einschränkungen auch im Kontext globaler Belastungen zu bewältigen und das tun sie, auf zumeist bewundernswerte Art und Weise.
Sie kommen nicht in die Reha, weil sie einen Wellnessurlaub gebucht haben oder weil es so schön ist im Herzogtum-Lauenburg – was nebenbei bemerkt auch ein guter Grund wäre. Sie kommen in die Klinik, weil sie angeschlagen und geschwächt sind und eine harte Zeit hinter sich haben.
Die Diplompsychologin Angelika von Aufseß, Leiterin des psychologischen Teams, möchte eine Tugend ans Licht holen, die – vom Umfeld der Betroffenen aber auch von den Betroffenen selbst – viel zu oft übersehen wird: die Tapferkeit im Umgang mit der Erkrankung.
Goodbye, tapferes Schneiderlein, hello Resilienz!
Bei Wikipedia findet man unter Tapferkeit folgende Beschreibung: „Tapferkeit ist die Fähigkeit, in einer schwierigen, mit Nachteilen verbundenen Situation trotz Rückschlägen durchzuhalten. Sie setzt Leidensfähigkeit voraus und ist meist mit der Überzeugung verbunden, für übergeordnete Werte zu kämpfen. Der Tapfere ist bereit, ohne Garantie für die eigene Unversehrtheit einen Konflikt durchzustehen oder einer Gefahr zu begegnen. Oft – aber nicht notwendigerweise – will er damit einen glücklichen Ausgang herbeiführen.“
Auch eine Erkrankung bedeutet für die meisten Menschen, sich in einer schwierigen, mit Nachteilen verbundenen Situation trotz Rückschlägen zu bewähren. Eine Garantie, dass die Situation zu einem glücklichen Ausgang führt, gibt es in vielen Fällen nicht. Es gibt Niederlagen, Verzweiflung, Traurigkeit und es gibt Hoffnung, Mut, Zuversicht und Tapferkeit. Das kann sich abwechseln oder nebeneinanderstehen. Das alte Ideal von männlicher Tapferkeit, das aus Härte gegen sich oder andere besteht, hat ausgedient. Goodbye, tapferes Schneiderlein, hello Resilienz!
Seelische Widerstandskraft
Unter Resilienz versteht man die seelische Widerstandskraft eines Menschen, die Fähigkeit, unter hohen Belastungen nicht kaputtzugehen, sondern nachzugeben wie elastisches Material, das unter Druck nicht bricht, sondern in seine Form zurückschwingt. In dem Konzept der Resilienz zeigt sich Tapferkeit zum Beispiel in der Akzeptanz einer belastenden Situation, im Annehmen und Geben von Hilfe, in aktiver Übernahme von Verantwortung für das eigene Schicksal oder auch im Lachen trotz der widrigsten Umstände. Im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg erleben wir immer wieder genau diese Tapferen, die das Beste aus dem machen, was ihnen das Leben serviert.
Da sind Menschen mit einer Krebsdiagnose. Ihnen wurde von heute auf morgen die trügerische Sicherheit ihrer Unverwundbarkeit genommen. In der Psychoonkologie spricht man vom Diagnoseschock. Das maßlose Erschrecken darüber, dass alle Pläne und Gewissheiten zu wackeln scheinen. Wie bei einem Erdbeben, das Wände einstürzen oder zumindest Tassen aus dem Regal fallen lässt. Tiefe Verunsicherung, ob das Leben je wieder so unbeschwert sein wird, ob es lange genug währen wird, um das Aufwachsen der Kinder oder der Enkel mitzuerleben. Eine Bedrohung, die schwer zu fassen ist und oft genug zu Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit führt.
Dann sind da Menschen mit einer Atemwegserkrankung wie Asthma oder COPD. Sie kennen Situationen, in denen ihnen im wahrsten Sinne des Wortes die Luft wegbleibt. Sie ringen nach Luft, sie spüren die Enge in der Brust, den Mangel an Sauerstoff, das Gefühl zu ersticken. Einige von ihnen berichten von Situationen, in denen sie sich dem Tod näher gefühlt haben als dem Leben.
Oder junge Frauen, in deren Umfeld scheinbar nur noch dicke Bäuche und frisch geschlüpfte Babys das Glück vervollkommnen, sie aber die dritte, fünfte oder siebte erfolglose Kinderwunschbehandlung hinter sich haben. Frauen, die unter chronischen Schmerzen leiden, deren Gebärmutter, Eierstöcke, Darm oder Blase von Verwachsungen beeinträchtigt wird, die nicht nur ihre Leistungsfähigkeit, sondern oft auch die Lust am Leben und an der Liebe einbüßen. Frauen, die an einer Erkrankung leiden, die noch immer wenig bekannt ist und oft jahrelang nicht erkannt wurde von den behandelnden Ärzten und Ärztinnen: Endometriose, eine böse aber nicht bösartige Erkrankung der Gebärmutter, also des Endometriums. Krise im Dauerbetrieb.
Dann sind da noch Menschen, die nach einer Covid-Erkrankung nicht in ihr Leben zurückfinden. Die Palette der Symptome reicht von bleierner Müdigkeit (Fatigue) über Atemnot, reduzierter Leistungsfähigkeit bis hin zu psychischen Symptomen wie Depression und Angststörungen. Auch sie stecken in einer Krise, die ihnen alles abverlangt. Wie bei Endometriosepatientinnen fühlen auch sie sich oft abgewertet und unverstanden und berichten von Kommentaren wie: „Jetzt muss es aber mal gut sein! Bist doch schon so lange krank.“ Oder: „Wie wäre es mit einem Besuch beim Psychologen? Das ist doch keine Krankheit.“
Gerade in den letzten beiden Jahren traf das persönliche Schicksal einer Erkrankung mit der kollektiven Einschränkung durch die Pandemie zusammen. Patientinnen und Patienten durften während des Klinikaufenthaltes keinen Besuch empfangen, die nächsten Angehörigen konnten oft nicht einmal zu den Arztgesprächen mitkommen, immunsupprimierte Patientinnen und Patienten litten unter der Isolation, da sie eine Infektion durch Covid 19 nicht riskieren wollten. Ressourcen, die gerade in der Krankheit von Bedeutung sind, wie z.B. soziale Kontakte, körperliche Nähe, sportliche und kulturelle Aktivitäten zur Vitalisierung von Körper und Geist, standen nicht zu Verfügung.
Die Bewältigung gesundheitlicher Einschränkungen findet nie ohne Kontext statt. Soziale, finanzielle und globale Belastungen wie z.B. die Pandemie oder die aktuelle Lage in der Welt fordern Patientinnen und Patienten dabei in besonderem Maße.
Psychologische Unterstützung in der Reha
In unserer psychologischen Arbeit erleben wir staunend, mit welcher Kraft und mit welcher Tapferkeit Menschen in schwierigen Gewässern ihr Schicksal meistern und – auch ohne Garantie auf Erfolg – ihr Leben in die Hand nehmen. Wir unterstützen sie dabei, sich auf ihre Ressourcen zu besinnen und sich der eigenen Schätze und Kräfte bewusst zu werden, wenn sie diese vergessen oder kurzzeitig verlegt haben. Wie Dagobert Duck, der in seinen Dukaten badete, erinnern sich resiliente Menschen an gewonnene Schlachten in ihrer Vergangenheit, an die Tapferkeit, die sie durch widrige Situationen gerettet hat und die Mut geben für den nächsten Schritt.
Für diese Leistungen: Respekt!
Angelika von Aufseß
Zur Reha bei AMEOS
Im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg sind wir seit vielen Jahren auf die Behandlung von verschiedenen Krankheitsbildern spezialisiert: Rehabilitations- und AHB-Klinik für Onkologie, Gynäkologie, Urologie, Pneumologie, Endometriosezentrum, Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige und Rehabilitationsklinik für Psychosomatik. Nicht nur mit seiner medizinischen Kompetenz und apparativen Ausstattung überzeugt das Team im Reha Klinikum Ratzeburg seine Rehabilitanden, sondern vor allem mit seinen individuellen Therapiekonzepten.
Die psychologische Betreuung im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg umfasst eine Einzelberatung (bei Bedarf), psychologische Gruppengespräche, Entspannungsverfahren sowie Vorträge und Seminare zu Themen wie Stress, Resilienz, Fatigue, Vorbereitung auf den beruflichen Wiedereinstieg. Unsere Haltung ist geprägt von Respekt, Empathie und der Überzeugung, dass Menschen die Fähigkeit zur Bewältigung der Erkrankung und ihrer Herausforderungen bereits in sich tragen. Diese Kraftquellen, bei uns Ressourcen genannt, freizulegen, betrachten wir als unsere wichtigste Aufgabe.
Weitere Informationen zu den verschiedenen Behandlungskonzepten und Ansprechpersonen finden Sie auf unserer Website.